Petra Maria Hothum SND, Dezember 2020
Einer der Betrachtungstexte für unsere diesjährige virtuelle Meditationsgemeinschaft im Advent ist das folgende Gebet von Kardinal John Henry Newman (1801-1890):
„Führe mich, du mildes Licht, im Dunkel, das mich umgibt,
führe mich hinan!
Die Nacht ist finster, und ich bin fern der Heimat:
Führe mich, du mildes Licht!
Führe mich hinan!
Leite meinen Fuß. –
Ich verlange nicht zu sehen die ferne Landschaft, nur ein Schritt ist genug.”
Diese demütige Bitte um Führung im Dunkel spiegelt die Haltung wider, die die biblischen Gestalten im Umkreis der Krippe zutiefst geprägt haben muss. Denn sie alle hatten keinen klaren Weg vor sich, sondern mussten durch Zweifel und Unsicherheit gehen: – allen voran Maria: sie lässt sich auf eine unglaubliche Verheißung ein, nicht wissend, wie das geschehen soll und was auf sie zukommt … – Josef: sein Vertrauen in seine Verlobte ist einer enormen Zerreißprobe ausgesetzt, doch fühlt er sich gerufen, in Treue zu ihr zu stehen … – die Hirten, die in der Nacht wachen: ihnen wird die Geburt des Retters verkündet, und was sie vorfinden ist ein hilfloses Kind in der Krippe … – die Sterndeuter: sie folgen dem Stern des neugeborenen Königs der Juden und müssen auf einem langen Weg lernen, dass dieser sie nicht ins Zentrum der Macht nach Jerusalem, sondern ins kleine Betlehem führt …
All diese Menschen sind unterwegs im Dunkel. Die Hirten sind unbehaust. Die Sterndeuter wandern fern ihrer Heimat, fern all dessen, worin man sich auskennt. Maria und Josef erleben sich auf ihrem Weg nach Betlehem jenseits gewohnter Sicherheiten und ohne schützende Herberge. Das, was sie alle auf den Weg bringt und unterwegs bleiben lässt, was sie erfahren und vorfinden, besitzt Anziehung. Und doch ist es alles andere als klar und eindeutig. So können sie nicht selbstsicher ausschreiten in wissendem Überblick. Sie müssen vielmehr ihre Schritte suchend und tastend setzen im Dunkel des Glaubens – Irrungen und Krisen ausgesetzt. Auf einen solchen Weg kann sich nur einlassen, wer hört, wer also innehält, der eigenen Wirklichkeit inne wird und bei ihr aushält, sie durchlebt. Auf einem solchen Weg kann nur bleiben, wer vertraut und sich führen lässt – Schritt für Schritt, wieder und wieder. Auf einem solchen Weg der Wandlung und Mensch-Werdung bleibt der Mensch ein Leben lang – im immer neuen Loslassen eigener Vorstellungen und Illusionen und im immer neuen Einlassen auf den einen nächsten Schritt.
Das vor uns liegende Weihnachtsfest lädt ein, uns den biblischen Gestalten um die Krippe anzuschließen, gerade vielleicht in diesem Jahr. Weltweit hat die Corona-Pandemie gravierend in Planungen, vermeintliche Selbstverständlichkeiten und Sicherheiten eingegriffen, ja unser Leben auf den Kopf gestellt. Mangel und Verlust, Unsicherheit und eigeschränkte Möglichkeiten im Außen öffnen uns neu dafür, um innere Führung und Wegweisung zu bitten, darum, den je einen nächsten Schritt zu erkennen und um Mut, ihn setzen zu können. Als der neuerliche Lockdown sich anbahnte, konnte man als Schlagzeile die folgende Frage lesen: „Gibt es Chancen auf ’normale‘ Weihnachten?” – Was immer damit gemeint sein mag: diese Chance gibt es eventuell nicht oder nur eingeschränkt. Aber vielleicht gibt es ja die viel wesentlichere Chance, dem innersten Kern von Weihnachten etwas näher zu kommen, dem eigenen Inneren, in dem Christus Mensch werden möchte.
Dass wir durch alles Dunkel, Fremde und Verunsichernde immer weiter geführt werden auf diesem Weg – Schritt für Schritt – das ist unser Weihnachtswunsch für Sie, Euch und uns alle und unser Segenswunsch für das Neue Jahr!