Was ist ein Ashram?
Ein „Ashram“ in Indien ist eine Lebensschule von äußerster Einfachheit, unter Bäumen gelegen, offen für alle Suchenden, gleich welcher Rasse oder Religion.
Einen Ashram besucht man im Hinduismus in der dritten Lebensphase:
die erste ist der Ausbildung gewidmet,
die zweite dem Aufbau der Familie und einer Berufstätigkeit, durch die man sie ernähren kann;
die dritte wird ausgelöst durch den Auszug der inzwischen erwachsen gewordenen Kinder: denn durch ihn erweist sich nun als überholt, wofür man bislang gelebt hat. In existentieller Weise brechen Fragen auf nach dem Sinn des Lebens, der Partnerschaft, nach Gott, dem Tod usw.. So ist indes die Zeit für den Ashram gekommen, der also keine Schule nur der Theorie sein kann, sondern eine Schule der Selbsterfahrung und -reflexion sein muss in spirituellen Übungen und der Betrachtung Heiliger Schriften, um der Antworten innewerden zu können, die man jetzt sucht.
Die vierte Lebensphase im Hinduismus besteht darin, diese Antwort im Alltag zu leben, entweder als Bettelmönch oder „in der Welt“.
Wieso heißt diese christliche Lebensschule Ashram Jesu?
Ihr Gründer, Bertram Dickerhof, war selbst drei Monate zu Gast in einem christlichen Ashram in Nordindien.
Besonders inspiriert hat ihn
- die Einfachheit des Rahmens, die es ermöglicht, ohne viel Ablenkungen bei sich selbst bleiben zu können, manchmal auch zu müssen. Sie fördert das Durchleben der eigenen inneren Wirklichkeit und damit die Chance, dass diese durchbricht auf einen grundlosen Grund hin.
- die Auseinandersetzung mit Heiligen Schriften anderer Religionen
- die achtsame und ganzheitliche Lebensweise.
Im frühen 20. Jahrhundert sind christliche Ashrams in Indien entstanden, um die Inkulturation des Christentums in den reichen religiösen Boden Indiens zu fördern. Ähnlich geht es im Ashram Jesu um die Frage, wie je ich in einer Wohlstandsgesellschaft westlichen Typs heute als Christ leben kann. Ein Teil der Antwort wird darin bestehen, andere Sinnquellen zu entdecken als Leistung, Konsum, Spass und Publizität.
Was ist ein Guru und wer ist der Guru im Ashram Jesu?
Im Hinduismus bildet sich ein Ashram um einen Guru, einen Lehrer, der durch sein einfaches, gelassenes und integriertes Leben verheißt, auch andere zum Wesentlichen führen zu können. Seine Schüler räumen ihm das Recht ein, ihr Leben zu bestimmen. Sie glauben, dass er besser weiß als sie selbst, was ihrem persönlichen Fortschritt dient.
Während ein Guru in Asien hoch geschätzt ist, hat das Wort bei uns meist einen abwertenden oder spöttischen Beiklang, der dem Guru eher Scharlatanerie, vor allem aber Selbstgefälligkeit unterstellt, die andere von sich abhängig macht und sie zur eigenen Verehrung gebraucht.
Im Ashram Jesu versucht die Leitung, solchen Rollenerwartungen zu widerstehen, damit alle, Gäste und Leitung, Schülerinnen und Schüler des einen Gurus Jesus sein können, wie es im Evangelium heißt: „Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus.” (Mt 23, 8-10). Gäste und Leitung im Ashram Jesu bilden eine Lerngemeinschaft auf gleicher Augenhöhe. In ihr spricht der Lehrer Jesus durch die Ereignisse des Tages, durch Resonanz in der Gruppe, im tiefen Schweigen der Meditation; und stets bleibt es der Freiheit der einzelnen Person überlassen, das Gehörte an sich heranzulassen, zu unterscheiden und dem Verstandenen zu folgen.
Ist der Ashram Jesu ein Sammelsurium von Methoden verschiedener Religionen?
Vielleicht erscheint es von außen so bei flüchtiger Betrachtung: eine Meditationsmethode, Vipassana, aus dem Buddhismus, Yoga aus dem Hinduismus, Handarbeit von den Wüstenvätern, vielleicht noch den Koran in der Schriftbetrachtung, die Messe aus der katholischen Kirche.
Wer sich jedoch auf einen Kurs im Ashram einlässt, wird schnell die Ganzheit spüren, in die die verschiedenen Elemente harmonisch integriert sind. Er erfährt dieses Ganze angesiedelt in der Mitte des Humanums und des Christlichen und erkennt die wesentlichen Themen und Anliegen der Mystiker aller Religionen und aller Zeiten darin wieder.
Was hat die Meditationsweise im Ashram Jesu mit Gebet zu tun?
Wer viel und mit Ausdauer betet, dessen Gebet erfährt eine Entwicklung:
Sein Gebet wird innerlicher: Empfindungen und Gefühle spielen mehr und mehr eine Rolle dabei.
Sodann wird das Gebet einfacher: es findet sein Genüge darin, bei Wenigem zu verweilen, einem einzelnen Wort oder auch gänzlich im Schweigen.
Ferner wird das Gebet passiver: der Betende wird sich gewiss, dass Gott alles tut, um ihm seine Liebe und Gnade schenken zu können; so überlässt er sich ihm mehr und mehr: auch sein Gebet.
Und schließlich wird immer wichtiger zu erkennen, was Gott von ihm, dem Beter will; wichtiger als die eigene Befriedigung: sein Gebet wird zum Hören und Gehorchen.
Hier setzt die Übung im Ashram Jesu ein, die darin besteht, sich selbst in die Mitte zu stellen, wie Jesus Menschen in die Mitte gestellt hat (z.B. Lk 6, 8) und sich mit einem Blick der Liebe zu betrachten, so wie wir unsere Liebsten anschauen, so wie Jesus Menschen anschaut (z.B. Mk 10,21 den reichen Jüngling); genauer gesagt verweilt er in dieser Weise bei derjenigen inneren Wirklichkeit, die sein Interesse zu erwecken vermag, — so wie Moses zum brennenden Dornbusch hinzutritt. Bei ihr hält er aus, gleich ob sie ihm gefällt oder unangenehm ist: er sieht sie als Gabe Gottes an ihn je jetzt an; wie Hiob empfängt er das Gute und das Schlechte von Gott und nimmt es an, — mit dem Mut und im Vertrauen, dass Gott „in allem Begegnung feiern will“. Es ist nun einmal so, dass die Gottesbegegnung, die Transzendierung nur aus der ausgehaltenen Spannung erwachsen kann und geschenkt wird.
Bei dieser Gebetsübung im Ashram Jesu erweisen sich manche Vorstellungen des Beters als unhaltbar; manche seiner Triebkräfte erweisen sich als egoman. Wenn er sie sterben lässt, disponiert er sich für wahrhaftige Selbsterkenntnis, für eine Erfahrung unbedingter Liebe und die Erkenntnis des Willens Gottes.
Wie verhalten sich ignatianische Exerzitien zu Grundübungen im Ashram Jesu?
Exerzitien sind von Ignatius her als ein Instrument konzipiert, das in vielerlei Hinsicht an die Gegebenheiten angepasst werden kann, um den Exerzitanten „vorzubereiten und dazu bereit zu machen, alle ungeordneten Neigungen von sich zu entfernen und den göttlichen Willen zu suchen und zu finden …” (Ignatius, Geistliche Übungen, Nr. 1).
Das selbe Ziel haben auch die Grundübungen im Ashram Jesu, die als Exerzitien anzusehen sind. Die Leitungspersonen des Ashram Jesu haben lange Jahre ignatianische Exerzitien begleitet. Wie diese, sind auch die Grundübungen eine Schule des Gebets, das im Schweigen geübt wird.
Die Unterschiede liegen vor allem darin, dass in der Praxis ignatianischer Exerzitien die drei- bis fünfmalige Betrachtung von Bibelstellen und die tägliche Messe im Mittelpunkt stehen, die Begleitung im Einzelgespräch erfolgt und meist die Methode „Anhörkreis” ein etwaiges Gruppenelement ausmacht. Demgegenüber gibt es in den Grundübungen im Ashram Jesu nur eine Schriftbetrachtung täglich, in die auch ein Text einer anderen Religion einbezogen ist; zentral sind im Ashram Jesu die viermal 45 Minuten Meditation, die in einem Gesamtrahmen der Achtsamkeit, der Entschleunigung und des Mangels an Ablenkung geübt werden; die Messe wird nur sonn- und feiertags gefeiert, nicht täglich; Begleitung besteht ebenfalls im Einzelgespräch oder in einem Gruppenprozess, in dem der Einzelne Resonanz bekommt.
Der Versuch einer Bewertung dieser Gegebenheiten würde vielleicht dahin gehen, dass ignatianische Exerzitien traditioneller kirchlich sind als Grundübungen im Ashram Jesu und mehr als diese es begünstigen, vor allem im Kopf, im Denken, hängenzubleiben.
Hat der Ashram Jesu etwas mit Therapie zu tun?
Der Ashram Jesu ist keine Therapie-Einrichtung; seine Kurse setzen psychische Belastbarkeit voraus.
Jedoch gibt es keine ernst zu nehmende spirituelle Übung, die sich nicht mit dem sog. „Schatten”, dem „Verdrängten”, den Folgen gescheiterter früherer Beziehungserfahrungen auseinandersetzen muss. (Mystiker sprechen davon, wenn sie von der Läuterung des Herzens, vom Sterben des Ego u.ä. reden.) Dieser Auseinandersetzung dienen Rahmen und Methodik des Ashram Jesu.
Doch liegt der Fokus dabei vor allem darauf, eine Person, der es geschieht, in Kontakt mit einer solchen schmerzlichen Erfahrung ihres Lebens zu kommen, zu bestärken, diese anzunehmen, d.h. soweit sie kann und will, die mit dieser Erfahrung verbundenen Gefühle zu meditieren. Wer dies im Vertrauen wagt, dem zerbricht sein bisheriges Lebensfundament, von dem ja jene schmerzliche Erfahrung ein Teil ist, und er kann eine Erfahrung von unbedingtem Gerettetwerden, von Aufatmen und Neuwerden machen. Diese Gotteserfahrung hat auch therapeutische „Neben”wirkungen. Ein spirituelles Wellness-Resort ist der Ashram Jesu jedenfalls nicht.
Inwiefern ist der Ashram Jesu christlich?
Grundlage der Spiritualität des Ashram Jesu ist die Überzeugung, dass die Wirklichkeit durchseelt ist von einer sich verströmenden, freilassenden, unbedingten Liebe. M.a.W.: Gott ist es, der immer und in allem unterwegs ist zum Menschen und sich ihm mitteilen und schenken will. Von ihm geht alles aus. So biblisch diese Überzeugung ist, — „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen.” (Weish 11, 24), — so wenig ist sie im Leben der Menschen verwirklicht.
Diese Bewegung Gottes trifft auf einen Menschen, der in einer eigentümlichen Welt lebt, aber nicht ahnt, dass diese seine Welt nicht die Wirklichkeit ist, sondern die Folge von frühen Bindungsverletzungen, überfordernden Ereignissen und Traumata. Das Leben in dieser „Idiopolis”, die eine Folge der „Erbsünde” ist, ist nicht Leben im Sinne Jesu. In paulinischer oder johanneischer Sprechweise ist es „Leben des Fleisches”. Es ist durchtränkt von Angst und nur auszuhalten durch Ablenkung und durch Streben nach irgendetwas, was Befriedigung verheißt, — wie z.B.: Konsum, Wunscherfüllung, Einfluss, Ansehen, Leistung… — und letztlich doch nur für eine kleine Zeit geben kann. Solange der Mensch in Ablenkung und Streben verstrickt ist, hat es der göttliche Liebesstrom, das göttliche Leben, schwer, ihn zu erreichen.
Um die Liebe im Herzen aller Wirklichkeit zu entdecken, muss der Mensch also umlernen, ja um-kehren. Aber wie? Hier kommt Jesus ins Spiel, der den neuen Weg nicht nur gelebt und verkündet hat, sondern, indem er freiwillig den Tod auf sich nahm, in seine Jünger durch die Erfahrung seiner Auferstehung die Überzeugung einpflanzte, dass dieser Weg tatsächlich zu einer tiefgreifenden Verwandlung in ewiges Leben und Gotteskindschaft führt. Dieser Weg der Umkehr besteht darin, mutig und vertrauend die Wirklichkeit hier und jetzt an sich herankommen zu lassen und ihr Stand zu halten. Er beginnt im Gebet, und zwar so, dass der Betende dessen gewahr wird, was in ihm an inneren Bewegungen da ist, diese im Bewusstsein anwesen lässt, und zwar auch die schmerzlichen oder beängstigenden oder verbotenen Impulse. Das braucht „Selbstverleugnung”. Bei ihnen verweilend, indem er das Kreuz ihrer Anwesenheit trägt, erkennt er ihre und seine Wahrheit und vermag zu unterscheiden, welche Tat dem nun entspricht. Dieser innere Prozess führt zu der Verwandlung, von der das Neue Testament spricht: er wirkt sich aus in einer größeren inneren Freiheit und Freude und einem vermehrten Ruhen in sich selbst, in der Fähigkeit, sich und seine Belange hintanzusetzen, wo es nötig ist, sowie im Zuwachs an Vertrauen, Mut, Liebe und Hoffnung.
Beim Menschen, dem dies zu seiner Weise des Lebens wird, kommt die göttliche Liebesbewegung mehr und mehr an. Er schwingt in sie ein und findet darin den Sinn, Erfüllung seines Lebens und Grund — auch in den Stürmen des Lebens.
Was ist im Ashram Jesu zu lernen?
Wo lernt der Mensch eigentlich heute, wie Leben geht? Er lernt Funktionen, Methoden, Techniken und Wissen aller Art, aber wo lernt er, wie er leben kann, um Sinn, Würde und Erfüllung in seinem Leben zu finden?
Letztlich bilden die Kurse im Ashram Jesu die Teilnehmenden gerade zu diesem Punkt. Sie sind eine Fort-/Ausbildung in Menschsein, die ihren Ansatzpunkt nicht in einer normativ gesetzten Weltanschauung haben, sondern in dem, was die Teilnehmenden mitbringen. Das kommt peu à peu ins Licht und kann damit überprüft werden.
Die Grundübungen sind jedoch das Herzstück des Ashram-Angebotes. Ihr Beispiel soll verdeutlichen, was im Ashram Jesu zu lernen ist. Das Lernen liegt auf verschiedenen Ebenen.
- Methodische Ebene
- Erlernen einer buddhistischen Meditationsmethode (Vipassana)
- Erlernen von Methoden der Körperentspannung und -sensibilisierung
- Erlernen von Gehmeditation
- Erweitern der hauswirtschaftlichen Fähigkeiten
- Religiöse Ebene
- Verständnis für die Bedeutung von Innehalten im Leben erlernen und wie dieses Innehalten vollzogen werden kann
- Wissen und Verständnis von Gebet im christlichen Sinne und seines Wachstums entwickeln
- Lernen, dass Gebet viel mehr Hören als Reden ist
- Lernen, dass die buddhistische Methode Vipassana den methodischen Ansatz für ein christliches Beten im Sinne des Hörens darstellt
- Lernen, worin die Unterschiede zwischen Vipassana und Beten liegen, und was sie für den Vollzug jeweils bedeuten.
- Verstehen, dass das Zentrum des Lebens und damit auch des Betens Aushalten von Spannungen ist
- Lernen, dass im Zentrum der Abendmahlsfeier das freiwillige Aufsichnehmen der Spannung steht, die Verluste, Enttäuschungen, Krisen,… dem Leben zumuten. Auch dieses Brot des Lebens ist zu essen und dieser Kelch des Lebens zu trinken
- das Verhältnis des Christlichen zu den mystischen Traditionen der Weltreligionen
- Lernen über Heiligen Schriften wie Bibel, Koran, Bhagavadgita, buddhistische Suren, Upanishaden,… und christliche und islamische Mystiker
- Menschlich-persönliche Ebene:
- Lernen, in einem Raum von Schweigen, Entschleunigung zu leben bei geringen Möglichkeiten, sich abzulenken, und dabei zu entdecken, was hilft
- Themen, die die Teilnehmenden mitbringen, z.B. schwer zu verdauende Ereignisse des Lebens, Verluste, Kränkungen, Konflikte, Krisen, Abschiede, Verlust von Möglichkeiten und Chancen… werden daraufhin bearbeitet, sie
- genauer zu verstehen
- sie spirituell zu deuten
- zu einer persönlichen Entscheidung diesbezüglich zu finden
- Für die anderen Teilnehmenden ist dieser Vorgang ein Lernen am „Modell”, an einem Thema, das sie aus ihrem Leben kennen, in dem sie sich quasi selbst erblicken wie in einem Spiegel. Sie lernen u.a.:
- Methoden zum Verstehen der Situation
- Kriterien zur Bewertung
- spirituelle Grundsätze zu ihrer Deutung
- Methoden der Entscheidungsfindung