Bertram Dickerhof SJ, Dezember 2017
An Weihnachten feiern die Kirchen das Fest der Geburt Jesu: Er lebt unser Menschenleben mit, ausgeliefert wie wir den Mächten und Gewalten dieser Welt. Anders als wir, lebt er aus einer innigen Verbindung mit Gott, seinem Vater, seinem tiefsten Grund, so dass die Kirche sagen kann: Jesus ist „Gottes Sohn”. Gott selbst ist in ihm an unserer Seite. Dieses Angekommensein Jesu bei sich selbst äußert sich als demütige Liebe, als Offenheit allen Menschen gegenüber, als Versöhnung und Vergebung, als Wahrheit. Nicht als Macht und Herrschaft und Gewalt. Diese demütige Liebe bleibt sich selbst treu im Leben wie im Sterben Jesu, inmitten seines Leidens, selbst in einer Flut von Hass und Verachtung, selbst am Abgrund des Bösen – so böse wie unsere Welt eben sein kann. Doch weil Jesu Liebe sich selbst treu bleibt, inmitten des anbrandenden Bösen er nicht aufhört zu lieben, läuft sich dieses Böse, läuft sich auch der Tod, an ihm tot. Tod und Bosheit haben nicht das letzte Wort. Unzerstörbar ist die Liebe, die aus Gott hervorquillt, die Er selbst letztlich ist.
Eine wunderbare Botschaft. Gibt es bessere, trostvollerer Worte als diese?
Doch es sind eben auch nur Worte. Man hört sie und vergisst sie. Oder wertet sie ab. Stimmen Sie überhaupt? Da wird von Gott gesprochen: gibt es denn einen solchen Gott? Und wenn es ihn gibt, ist er dann lieb? Und der menschgewordene Gott, Jesus: hat der denn wirklich gelebt? War er denn so, wie die Evangelien ihn darstellen? Ist er denn wirklich in demütiger, vergebender Liebe gestorben? Am Kreuz? Der Koran verneint Letzteres. Und viele Zeitgenossen verneinen alle diese Fragen. Mindestens gibt es Zweifel. Man sehnt sich nach einem Zweig von Hoffnung und Heil – etliche auch das nicht mehr – und muss die Achseln zucken angesichts der Welt, wie sie im Alltag erlebt wird. Es zweifeln nicht nur die andern, die das Credo nicht mitsprechen: auch wir selbst zweifeln immer wieder.
Deswegen ist es mir im Lauf der Jahre immer wichtiger geworden, in einem Deutschland, das inzwischen zu einem der vielleicht am wenigsten betenden Länder geworden ist, zu werben für ein Beten, das in Einkehr bei sich selbst und Innehalten besteht; im Gewahren dessen, was das eigene Herz bewegt – und einem Dabei-Verweilen, indem die Person dem Herzen das, was ist, zugesteht, es annimmt und dasein lässt: es ist doch ein Teil der Person selbst hier und jetzt, das Schöne und das Elende. Dann hat sie die Chance, und nur dann, mit der Erfahrung demütiger Liebe beschenkt zu werden, deren Existenz wir an Weihnachten feiern. Nur so besteht die Chance, der Wirklichkeit Gottes gewahr zu werden. Schöner gesagt:
Die Frucht der Stille ist das Gebet.
— Mutter Teresa
Die Frucht des Gebets ist der Glaube.
Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist das Dienen.
Die Frucht des Dienens ist der Friede.
„Es ist alles so einfach”, sagt Mutter Teresa. „Warum sollte jemand eine Anleitung für diesen einfachen Weg brauchen? Wir, oder sonst jemand, brauchen nur zu beten und zu beginnen, einander zu lieben. Der erste Schritt besteht darin, es zu wollen.”
In der Tat ergeben sich aus solchem Beten Handlungen im Geiste Jesu: Begegnungen. Einfache Begegnungen. Nicht als Geber und Nehmer, nicht in Rollen, sondern als Menschenbruder und Menschenschwester. Menschliche Begegnung – auch mit den Bettlern auf der Straße und den aus ihrer Heimat zu uns Geflüchteten. Vielleicht davon mehr – und weniger weihnachtlicher Kaufrausch.