Menü Schließen

Kreative Hoffnungslosigkeit

Alfons Gierse, März 2016

Als Eheberater erlebe ich immer wieder, dass Paare vor mir sitzen, die miteinander in ein schier unauflösbares, wirres Knäuel von Streit und Konflikt verwoben sind. Sie halten zäh am Konflikt fest und lassen nicht locker, obwohl sie von sich sagen, dass es ihnen nicht gut geht und sie ihr Leben als unglücklich betrachten. Dazu wenden sie ganze Arsenale von Strategien an: Sie teilen Ereignisse und Aussagen ein in Kategorien von richtig und falsch, von gut und schlecht; jede Person beharrt auf ihrem Recht; es gibt eine ausgeprägte Tendenz zu begründen und zu rechtfertigen und einen Hang zu idealisieren und abzuwerten. Auf die Frage, ob diese Strategien ihnen hilfreich waren, um zufriedener und glücklicher zu werden ernte ich fast durchgehend ein Nein. Es ist kaum vorstellbar, warum das Paar dann einen Vorteil daraus ziehen sollte. Wozu also halten sie daran fest?

Vorwürfe und Streit halten Paare zusammen. Wenn nur einer von beiden einlenken würde, so die Hoffnung von beiden Seiten, wäre alles gut. Hinter dem Konflikt versteckt sich also ein Ideal von Harmonie, Gemeinsamkeit und Gegenseitigkeit. Wenn nur wieder alles so wäre wie früher. Würde auch nur einer von beiden die Idee aufgeben, den Partner zur Änderung zu bewegen, würde all die Wut und Bitterkeit ins Leere laufen. Das aber schafft Verunsicherung und Angst.

Die Hoffnung ist an dieser Stelle Teil des Problems und nicht der Lösung. Auch die Emmausjünger drücken auf dieser Ebene ihre Hoffnung aus: „Wir dachten, das er – Jesus – Israel erlösen würde”. Dabei hatten sie möglicherweise ihr Ideal von Erlösung vor Augen, nämlich die Wiederherstellung des Reiches Israel in seiner weltlichen Macht und Herrlichkeit. Innerhalb dieser Sicht auf die Dinge bleibt nur das Scheitern, bleibt Jesus im Grab, abgeschlossen vom Leben durch einen schweren Verschlussstein.

Aber die Emmausjünger gehen einen Schritt weiter. Sie reden über all das miteinander, was sich ereignet hatte. Sie tauschen ihre Geschichten aus und befragen sich gegenseitig. So aber bringen sie sich innerlich in Kontakt mit dem, der ihnen wirklich wichtig war im Leben und der sie tief im Herzen berührt und bewegt hatte. Wo sie das Leiden des Messias als Teil seiner Lebenswirklichkeit begreifen lernen und offen werden dafür, ihre Verzweiflung und Trauer und ihre Angst zu spüren und da sein zu lassen, öffnet sich eine neue Lebensperspektive: kreative Hoffnungslosigkeit als der innere Ort, an dem ich meine eigenen Vorstellungen vom Leben loslasse und das annehme, was ist.