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Innehalten im Alltag

Bertram Dickerhof SJ, Februar 2013

Die Fastenzeit hat begonnen. Vielleicht kann ich demjenigen noch eine Idee liefern, der nach einem „guten Vorsatz“ für diese Zeit sucht oder mit seinem bisherigen nicht ganz zufrieden ist.
Meine Idee hat vor allem mit Selbstliebe zu tun und lautet:

Im Alltag innehalten und
bei sich selbst verweilen.

Ich halte dies für lebensnotwendig für jeden Menschen, der bei sich selbst ankommen und ein selbstbestimmtes Leben führen will. Denn nur so wird er der Kraftfelder bewusst, in denen er steht, und vorstoßen zu dem, was er – oder vielleicht sogar Gott von ihm – hier und jetzt will. Ich werde auf dieses Anliegen sicherlich noch öfter in diesem Jahr zu sprechen kommen und gehe jetzt gleich zur Praxis über, die in drei Schritten besteht:

Erster Schritt: Unterbrechen. Für zehn, zwanzig Minuten, eine halbe Stunde am Tag einmal aufhören damit, zu funktionieren, zu benutzen, im Hamsterrad zu laufen, sich abzulenken, zu zerstreuen, sich mit anderen und anderem zu beschäftigen… und statt dessen sich dem Menschen zuwenden, der je ich selber bin.
Dazu sollte man sich einen Ort suchen, wo man Ruhe hat: auf dem Sofa zu Hause, bei einem langsamen Spaziergang, notfalls auch im Zug, in einer Kirche am Weg; morgens, bevor der Betrieb losgeht, oder abends, wenn es wieder still wird.

Zweiter Schritt: Sich selbst nachspüren. Mit folgendem Interesse:

  • Wie geht es mir eigentlich?
  • Was nehme ich überhaupt von mir wahr? Von meinem Körper, meiner Stimmung. meinen Gefühlen, meinem Inneren?
  • Was geht mir nach, was beschäftigt mich gefühlsmäßig, und zwar wie?

Wie gesagt: nachspüren, wahrnehmen, nicht nachdenken, nicht überlegen.


Dritter Schritt: Verweilen in der Wahrnehmung. Üblich ist, wenn man etwas von sich merkt, sehr schnell das Wahrnehmen zu verlassen und zum Denken überzugehen, also die Tätigkeit zu wechseln – weil man unwillkürlich über das Wahrgenommene nachdenkt, auf Abhilfe sinnt, sich etwas vornimmt. Doch bei unserer Übung hier geht es darum, in der Wahrnehmung zu verweilen, sie zu halten. Mit anderen Worten: das Wahrgenommene dasein zu lassen, es anzunehmen – und zwar ganz gleich, ob es angenehm oder unangenehm, freudig oder beängstigend, passend oder unpassend ist. Wie auch immer: es ist. Und ich erlaube dem, was ist, zu sein… . Die Denk- und Handlungsimpulse sind erst im Anschluss an die Übung dran.

Daher empfiehlt es sich vor Beginn, die Dauer der Übung festzulegen und für diese Dauer bei dem auszuhalten, was ist. Aushalten kann man auch dabei, dass man nichts von sich wahrnehmen kann, beim Umherspringen der Aufmerksamkeit, bei der Unruhe, beim Atem usw.

Euch und Ihnen allen einen guten Start in die Fastenzeit.