Petra Maria Hothum SND, Juli 2016
Für viele von uns bringt der Sommer durch Ferien und Urlaub eine Unterbrechung der alltäglichen Routine mit sich. Vielleicht begeben wir uns an andere Orte, in einen anderen Modus und können wir die Aufmerksamkeit auf anderes richten, als dies unter Alltagsbedingungen möglich ist. Eventuell beschert uns diese Zeit auch die Gelegenheit, manche Kontakte zu beleben, zu intensivieren oder auch neu zu knüpfen. Und hoffentlich gilt dies in besonderer Weise für einen besonders grund-legenden Kontakt: den zu uns selbst, zu unserem eigenen Inneren.
In Kontakt sein mit sich selbst: dies hört sich selbstverständlich an, ist es jedoch ganz und gar nicht. Wie oft bemerken wir kaum etwas von uns, nehmen gar nicht wahr, wie es dem Menschen, der wir selber sind, gerade geht, was ihn antreibt, bewegt, wie es gerade um ihn bestellt ist. Wie oft sind wir derart beschäftigt mit allem Möglichen im Außen, dass wir überhaupt nicht mitbekommen, was in unserem Inneren eigentlich vor sich geht. Mitunter erleichtert uns dies vielleicht sogar das äußerliche Funktionieren, auf Dauer aber schaden wir uns selbst damit. Denn dieser Kontakt mit dem eigenen Inneren ist lebens-notwendig. Ohne ihn können wir menschlich und geistlich nicht wachsen und reifen und verfehlen letztlich unseren eigenen Weg, unsere wahre Bestimmung.
Im Zusammenhang mit dieser Thematik fallen mir immer wieder einmal die eindrücklichen Worte von Angelus Silesius ein:
Halt an, wo laufst du hin? Der Himmel ist in dir.
— Der Cherubinische Wandersmann, 1675
Suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn für und für.
Anhalten, innehalten, bei sich einkehren und bei seiner Wirklichkeit verweilen – darum geht es im Ashram Jesu. Und der Prozess des Anhaltens ist dabei nicht zu unterschätzen. Er kann sehr mühevoll und schwierig sein oder gar unmöglich erscheinen, gerade dann, wenn wir im Außen ordentlich Fahrt aufgenommen haben, unter Druck stehen, angetrieben werden von Ab- und Anhängigkeiten unterschiedlichster Art … Leichter scheint es dann zu sein, fortzufahren wie gehabt, sich sozusagen weiter im immer schneller werdenden Hamsterrad zu drehen. Es läuft ja irgendwie – äußerlich gesehen vielleicht sogar recht erfolgreich! Hingegen erfordert es einiges, dieses Rad anzuhalten und sich der Frage zu stellen, wohin man denn eigentlich läuft, ob man dort wirklich hin möchte bzw. wohin es einen wirklich zieht. Denn diese Frage ist unbequem, sie bringt u.U. Mangel, Unstimmigkeiten und Empfindungen ans Licht, bei denen auszuhalten alles andere als einfach ist. Gut möglich, dass wir von daher letztlich ganz froh sind über manche Erwartungen, Gegebenheiten, Zwänge von außen, die unser Angetrieben-Sein rechtfertigen, ja unbedingt erforderlich zu machen scheinen. Es fragt sich, ob nicht auch hier Angelus Silesius den eigentlichen Kern des Problems mit folgenden anderen Versen aus dem „Cherubinischen Wandersmann“ treffend erfasst:
Nichts ist, was dich bewegt; du selber bist das Rad,
— Der Cherubinische Wandersmann, 1675
das aus sich selbsten läuft und keine Ruhe hat.
Mein Wunsch ist, dass diese Sommerzeit für uns Momente des Anhalten- und Ruhen-Könnens bereit hält, Momente, um bei uns einzukehren, um in Kontakt zu sein mit sich selbst und zu verweilen bei der eigenen Wirklichkeit – und dass wir dies nicht nur als mühevoll erleben, sondern auch als öffnend im Blick auf den Himmel in uns selbst!