Bertram Dickerhof SJ, Februar 2020
In Cervantes‘ Don Quijote bringt es dessen Diener und Gefährte Sancho Pansa zum Statthalter von Batavia (heute Jakarta, Indonesien). Doch eines Tages ging Sancho Pansa zum Stall und alle folgten ihm. Er umarmte seinen treuen Esel, gab ihm einen Friedenskuss auf die Stirn und sagte zu ihm, nicht ohne Tränen in den Augen: „Komm her, du mein Freund und Gefährte in meinen Drangsalen und Leiden. Als ich mit dir eines Sinnes lebte und keine anderen Gedanken hatte als die Sorge, dein Geschirr zu flicken und dein Bäuchlein zu pflegen, da waren meine Stunden, meine Tage und meine Jahre glückselig; aber seit ich dich verlassen und auf die Turmhöhe des Ehrgeizes und Hochmutes gestiegen bin, seitdem sind mir tausend Qualen, tausend Drangsale und zehntausend Kümmernisse in die Seele gedrungen.”
Während er so sprach, sattelte er seinen Esel, ohne dass jemand ein Wort sagte; und sobald der Sattel aufgelegt war, stieg er mit großen Schmerzen und Beschwerden auf seinen Grauen, wandte sich an alle, die ihn in großer Zahl umstanden, und sagte: „Gebt mir den Weg frei meine Herren, und lasst mich heimkehren zu meiner alten Freiheit; lasst mich mein früheres Leben suchen gehen, damit es mir zur Auferstehung hilft aus dem gegenwärtigen Tod.
Ich wurde nicht geboren, um Herrscher zu sein, noch um Städte und Inseln zu verteidigen gegen Feinde, die sie überfallen wollen. Ich versteh mich besser aufs Pflügen und Graben, aufs Beschneiden und Okulieren der Reben, als aufs Gesetze-Geben oder das Verteidigen von Provinzen und Königreichen. Am wohlsten ist es St. Peter in Rom; ich meine am wohlsten ist jedem, der dem Beruf nachgeht, zu dem er geboren wurde. Mir liegt besser eine Sichel in der Hand als ein Herrscherstab; lieber will ich mich an einer Krautsuppe satt essen, als einem lästigen Doktor elend ausgeliefert zu sein, der mich vor Hunger umkommen lässt; lieber streck ich mich im Sommer in den Schatten einer Eiche und wickle mich im Winter in einen abgewetzten Schafspelz und bleibe dabei in meiner Freiheit, als mich in der Knechtschaft einer Statthalterei zwischen holländische Betttücher niederzulegen und mich in Zobelpelze zu kleiden.
Behüt‘ euch alle Gott, verehrte Herren, und sagt dem Herzog, meinem gnäd’gen Herrn: Nackt bin ich heut und nackt ward ich geboren; hab‘ nichts gewonnen und nichts verloren. Ich will damit sagen, dass ich die Herrschaft hier ohne einen Pfennig antrat und ohne einen wieder gehe, recht anders als Statthalter anderer Inseln sonst fortzugehen pflegen. Jetzt geht beiseite und lasst mich fort… .”
Die Leute wollten Sancho Pansa nicht ziehen lassen, doch es gab für ihn kein Zurück mehr; so nahmen sie voneinander Abschied, und er ließ sie zurück voll Verwunderung über seine Worte wie über seinen so festen und verständigen Entschluss. (II. Buch, Kapitel 53)
Es ist die Sehnsucht nach seiner alten Freiheit, die Sancho Pansa die Kraft gibt, loszulassen, was ihm nicht entspricht und ihn geradezu getötet hat. Das Leben in der alten Freiheit ist nicht ohne „Drangsale und Leiden”, es ist ein Leben ohne Luxus. Es ist Auferstehung seines wahren Selbst. Der Text lädt zu vielerlei Überlegungen ein. Vielleicht habt Ihr Lust, Euch von ihm begleiten zu lassen in den nächsten Wochen der Fastenzeit. Schön wäre, wenn er in dem einen oder der anderen die Sehnsucht wach werden lässt, zu seiner/ihrer alten Freiheit heimzukehren, mehr zu leben, was der eigenen Person wirklich entspricht, damit dies „zur Auferstehung hilft aus dem gegenwärtigen Tod.”