Bertram Dickerhof SJ, Mai 2013
Im Ashram Jesu geht es darum, einen spirituellen Weg zu gehen und ihn mit Menschen, die dafür offen sind, Christen und Nicht-Christen, zu teilen. Die Grundübungen sind dabei das Hauptinstrument. Sie helfen zu erkennen, worauf man das eigene Leben tatsächlich gegründet hat. Diese Gründe sind zwar verborgen, doch liefert, was ein Mensch jeweils mitbringt an aktuellen Lebenserfahrungen, Fragestellungen, inneren und äußeren Ereignissen, einen Zugangsweg zu ihnen. Dabei kommt der achtsamen, gelassenen und liebevollen Atmosphäre im Ashram Jesu besondere Bedeutung zu.
Die Achtsamkeit bezieht sich vor allem auf die eigene Person, auch auf ihren Leib. Gewöhnlich wird die Person lediglich „benutzt“: der Leib, um das Selbst von hier nach dort zu tragen; die Hände, um Knöpfe zu drücken; der Kopf, um zu analysieren; und das Selbst, um zu funktionieren. Im Ashram übt man stattdessen, sein Selbst um seiner selbst willen wahrzunehmen: was es beschäftigt und was sich in ihm innerlich bewegt, um so sich selbst liebevoll nahe zu kommen – so wie man einem Geliebten nahekommen und bei ihm verweilen möchte. Langsam gibt die eigene innere Wirklichkeit den Blick in die Gründe frei, die das tägliche Leben und Verhalten aus dem Verborgenen bestimmen, – wenn man gelassen bleibt. Gelassensein bedeutet, dasein zu lassen, was da ist, auch dann, wenn dies Daseiende unangenehm und ent-täuschend ist und den eigenen Erwartungen und Wünschen nicht entspricht.
Kann der Übende diese seine (enttäuschende) Wahrheit anerkennen, so wird Wandlung möglich: er kann die Wahrnehmung seiner inneren Wirklichkeit an dieser überprüfen durch einen zweiten Blick. Ebenso kann er die Interpretation überprüfen, die er seiner Wahrnehmung gibt. Auf diese Weise kann er frei werden von alten, verzerrenden Mustern. Das bislang Vermiedene, das hinter seinen „falschen“ Gründen steckt und ihn dazu antrieb, beginnt, sich in sein Seelenleben zu integrieren. Noch wichtiger aber ist, was dabei „nebenher“ und gratis geschieht: eine innerliche Berührung, die „ewiges Leben“ vermittelt; Anhauch eines Nichts, das die Flamme reiner Liebe nährt. Davon kommen Würde und Freiheit und eine unbedingte Bejahung. Zu Beginn des spirituellen Weges verspürt man nur einen Trost und eine Sehnsucht. In dieser Erfahrung liegt der Keim einer anderen Erfüllung als der, die unsere Kultur propagiert, und eines anderen Lebens als dem, das aus Arbeit und Spass besteht. Doch im Alltag werden dieser Keim und die Sehnsucht durch Vielerlei und Oberflächlichkeit oft erstickt. Wer also auf dem Weg bleiben will, dem ist es eine große Hilfe, sich täglich und monatlich eine Zeit des Innehaltens und jährlich eine Zeit des Tiefergrabens zu reservieren. Auf diese Weise bereitet er sich, nicht nur Trost zu erfahren, sondern auch den zu erkennen, der den Trost spendet.
Deshalb sind also Grundübungen stets aktuell. Ich möchte Sie/Euch dazu einladen.