Bertram Dickerhof SJ, Oktober 2020
Petra Maria Hothum und ich bieten ab Herbst nächsten Jahres eine „Ashram-Ausbildung” an, die dazu befähigen soll, eine Ashramgruppe oder einen Ashramtag zu leiten. Das Konzept dieser Ausbildung unterscheidet sich wesentlich von den beiden dreijährigen „Lernwegen”, die wir 2013 und 2016 begonnen haben. Es sieht 5 verlängerte Wochenenden vor, verteilt über ein Jahr, und ist „pragmatisch“ gestrickt: je eine Einheit ist den zentralen Themen „Meditation”, „Gruppe” und „spirituelle Deutung” gewidmet. Die erste Einheit dient der Grundlegung der Ausbildung und der stillen Zeit aus Meditation und Schriftbetrachtung, die im Alltag eingerichtet werden soll. Die letzte Einheit rundet die zurückgelegte Strecke ab und fragt nach dem persönlichen Weiterweg. Da Meditation nur durch Meditieren zu erlernen ist, setzen wir 30 Kurstage im Ashram Jesu voraus.
Der Boden, aus dem diese Ausbildung erwächst, ist kein anderer als der der früheren Lernwege. Doch treten heute die Bedeutung und die Dringlichkeit eines solchen Angebots deutlicher zu Tage. Die „Volkskirchen” befinden sich in sich beschleunigender Talfahrt. Sie begegnen ihr mit Strukturanpassungen. Die katholische Kirche in Deutschland möchte sich in ihrer Organisationsform modernisieren, ein richtiger und überfälliger Schritt. Allerdings ist man Christ weder, weil man einem „christlichen” Volk angehört, noch wird man es wegen der Organisationsform der Kirche, sondern weil einem Menschen in Person und Botschaft Jesu ein Weg zu einem sinnerfüllten Leben aufgeht, einem Leben, das größer ist als diese Welt und über den Tod hinausreicht, und dieser Mensch diesen Weg in Freiheit und in Gemeinschaft mit anderen gehen will. Das ist Liebe zu Jesus – „wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt” (Joh 14,21) – und diese Liebe ist das Fundament der Kirche, nichts sonst. Wo aber kann man heute Jesus begegnen, wie kann man lernen, seinen Weg zu gehen, ja ihn zu lieben?
Um Jesus und seine Bedeutung für das eigene Leben kennenzulernen, braucht es „Orte”, an denen seine Gegenwart erfahren werden kann. Solche „Orte” sehe ich z.B. auch in „Ashramgruppen”. Man muss kein Glaubensbekenntnis haben, um an ihnen teilnehmen zu können. Diesbezüglich sind Ashramgruppen offen und voraussetzungslos. Die Teilnehmer*innen der Ashramgruppe üben Vipassana-Meditation. Der Ashram Jesu versteht diese als Beten nach „Methode” und Geist des Vaterunsers, insofern die Meditierenden darauf vertrauen, dass sie das, was sie ersehnen, nicht dadurch finden, dass sie auf ihren Absichten bestehen, sondern dadurch, dass sie sich verwandeln lassen, indem sie bereit sind, in der Meditation bewusst geschehen zu lassen, was geschieht, und die eigenen Absichten und Erwartungen loslassen, sobald sie ihrer gewahr werden. Über die gemeinsame Meditation hinaus geben die Teilnehmer*innen einander Raum anzusprechen, was die Einzelnen persönlich bewegt.
Eine solche Gruppe sollte von einer Person geleitet werden, die im Alltag die Nähe zu Jesus in Meditation und Schriftbetrachtung sucht und dabei allmählich lernt, aus dem Hören heraus zu handeln, und nicht, weil sie etwas sieht und denkt, dies oder das wäre gut. Solche Menschen gibt es, aber sie müssen sich für diese Aufgabe zur Verfügung stellen. Das verlangt, die Rolle eines Konsumenten und Laien in Sachen Spiritualität abzustreifen, Verantwortung zu übernehmen und seine Spiritualität mit anderen zu teilen, auch wenn sie einem gefühlt als zu wenig vorkommt.
An solche Personen richtet sich unsere Ausbildung. Sie möchte ihnen Werkzeug an die Hand geben, so dass sie eines Tages, wenn sie sich dazu gerufen fühlen, solche Orte aufbauen, an denen Menschen etwas spüren können von der Gegenwart Christi in einer reinen Präsenz und dem Frieden, der darin liegt: Orte, an denen Gemeinde entsteht; Orte, an denen Nachfolge Jesu geübt wird.