Bertram Dickerhof SJ, April 2020
Auch wenn jetzt viel von Lockerungen geredet worden ist und damit die Vorstellung genährt wurde, dass die Corona-Krise im Wesentlichen überstanden sei und das Leben wie zuvor weitergehen kann, so halte ich das für einen Irrtum: Solange es nicht wirksame Medikamente und Impfstoffe gegen Covid-19 gibt, bleibt soziale Distanz das erste Gebot der Stunde und kann es ein Weiter-wie-vor-der-Krise-gehabt nicht geben für diejenigen, die verantwortungsvoll leben wollen. Deswegen ist es nötig, die Perspektive zu wechseln: statt wie gebannt auf das Ende der Ausnahme-Situation zu starren und schon mit den Füßen zu scharren, kommt es darauf an, mit dem Corona-Virus leben zu lernen und auszuhalten, was auszuhalten ist: die Unplanbarkeit des Lebens, für manche das ungewohnt dichte Aufeinandersitzen, das Zuhause-Bleiben-Müssen, finanzielle Ängste und Nöte. Wichtig ist, zu entdecken, welche Möglichkeiten im Rahmen der Krise bestehen, um sein Leben mit den Möglichkeiten hier und jetzt lebenswert zu machen: das kann Kochen statt Mikrowelle sein, das können gemeinsame Spaziergänge, gemeinsames Spielen, vielleicht auch gemeinsames Beten, Meditieren, … sein.
Was, glaube ich, am meisten hilft, ist einander begegnen. Das ist nichts Selbstverständliches. Erst recht, da die Lebensweise unserer Suchtgesellschaft zuvor nahegelegt hat, sich in Events, ob alleine oder mit anderen, zu verlieren, dabei als Person unterzugehen, sich aufzulösen in rauschhaften Gefühlszuständen. Die ernüchternden Umstände der Krise sind günstig, um sich begegnen zu können, sogar in 2 m Abstand: Der gemeinsame Feind Corona schweißt zusammen, schafft ein Thema, das jeden betrifft, so dass es Begegnung vermitteln kann, wenn Interesse am anderen da ist und die Bereitschaft, sich aufrichtig zum eigenen Erleben zu äußern. Dann kann es diese gegenseitige Berührung geben, durch die sich Kraft, Zuversicht, Vertrauen, Bejahung mitteilen: „Alles wahre Leben ist Begegnung.” (Martin Buber). Dann ist zu erfahren, dass geteiltes Leid halbes Leid, und geteilte Freude doppelte Freude wird.