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Die wahre Herausforderung im Leben

Bertram Dickerhof SJ, Dezember 2010

In diesen Tagen des Advent möchte ich mich an Sie wenden und Ihnen eine gnadenreiche Weihnachtszeit und ein gesegnetes Neues Jahr wünschen.

Hier, im Ashram, haben Sr. Petra Maria und ich viel Grund zur Dankbarkeit: Wir leben ja nun ganzjährig hier und sind auf einem guten Weg, uns selbst an das Ashramleben zu gewöhnen: Stille, Achtsamkeit, Meditation, menschlich ehrliches Miteinander, Hausarbeiten und sonstige berufliche Arbeit. In der Begegnung mit unseren Gästen und Kursteilnehmer*innen haben wir viel Ermutigung erfahren. Und im Herbst hat mir mein Jesuitenoberer mitgeteilt, dass er den Ashram Jesu als „unterstützenswerten Dienst an der Kirche in bewegter Zeit“ ansieht. Da die Deutsche Ordensoberenkonferenz die Trägerschaft übernehmen will, ist damit eine Zukunft des Ashram über 2011 hinaus sehr wahrscheinlich geworden.

Anlass zu noch mehr Dankbarkeit sind mir interessanterweise gerade die schwierigen Ereignisse geworden, an denen ich gekaut und mit denen ich gerungen habe: Seit 2002 habe ich mich im Übermaß bemüht, ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Fortbildungsprogramm für das IMS [das Fortbildungsinstitut der deutschsprachigen Ordensleute und bisheriger Träger des Ashram Jesu] zu entwickeln – nun wird das IMS aufgelöst. Im Februar schien mir die wieder neu entstandene Unklarheit über die Zukunft des Ashram unerträglich zu sein – doch ich musste sie ertragen bis vor Kurzem. Da wir nun ganzjährig im Ashram leben, haben wir unsere Angebote ausgeweitet – doch es kamen weniger Menschen als zuvor. Für mich persönlich war das Jahr geprägt von Erschöpfung, Krankheit, Verlust.
Wenn ich die Situation unseres Landes und des „reichen Westens“ überhaupt betrachte im Blick auf die Ressourcen, den Klimawandel, die Finanzen, auf die Art unseres Arbeitens und Zusammenlebens, scheinen mir meine kleinen Desillusionierungen geradezu paradigmatisch zu sein. Diese sehr großen Ereignisse sind ebenso desillusionierend, ernüchternd. Auch sie verlangen nach Umkehr, nach Loslassen der uns gewohnten Lebensweise. Die wirkliche Herausforderung im Leben besteht darin, die Ernüchterungen des Lebens zuzulassen und anzunehmen, ohne bitter zu werden oder zu verzweifeln. In dem Maße, wie dies gelingt, werden nach meiner Überzeugung gerade sie zum Tor zu jenem „ewigen“ Leben, von dem Jesus spricht, zum Weg in das unaussprechliche Geheimnis, das wir Gott nennen, zum Zugang zu jenem unzugänglichen Licht, das sich unverfügbar uns mitteilen will.

Sr. Petra Maria und ich werden auch nächstes Jahr für Sie dasein und uns freuen, wenn Sie in den Ashram kommen. Im Rahmen unserer Kräfte und Möglichkeiten soll der Ashram ein gastfreundlicher Platz sein, an dem die Menschen Zentrierung und Vertiefung finden. In unserem Programm werden Sie immer nur wenige neue Themen finden. Hauptsächlich deswegen, weil das Thema hier der Mensch selber ist, der kommt mit dem, was er mitbringt. Darin liegt der Weg verborgen.