Bertram Dickerhof SJ, April 2017
Im letzten Newsletter habe ich dargestellt, dass der Ashram meine Antwort auf die Frage ist, wie man als Christ leben kann, und wichtige Elemente aufgezählt. Vielleicht haben einige bei manchen der aufgezählten Elemente gedacht: „das ist für mich unmöglich!”
Dazu möchte ich sagen: die Antwort des Ashram steht ja nicht am Beginn meines Weges, sondern eher an seinem Ende. Er ist auch nur eine Antwort, meine, die in meinem Leben mehr und mehr gereift ist. Wo es mir möglich war, habe ich die Entscheidungen über mein Leben so getroffen, dass ich mehr das leben konnte, was mir als Mensch und Christ wichtig schien. Ich will sagen: das Entscheidende ist, einen Weg zu gehen und dabei nach Möglichkeiten zu suchen, wie der inneren Sehnsucht mehr Raum im Alltag gegeben werden kann, wie sie gelebt werden kann.
Das ist in unserer Gesellschaft nicht leicht. Wie beantwortest Du, liebe Leserin und lieber Leser die Frage, wie Du als Christ lebst? Was es in unserem Leben so schwierig macht, um nur zwei Aspekte zu nennen, sind die hohe Belastung, ja Überforderung des Einzelnen und das hohe Maß an Ablenkung. Überforderung, nur ein paar Stichworte: die hohe Arbeitsintensität, die geforderte Erreichbarkeit auch im Privaten, Frauen mit der Dreifachbelastung von Berufsarbeit, Haushalt, Kinder; die Kinder haben heute 9 und 10 Stunden Unterricht; zu meiner Schulzeit sehnten wir Schüler meist schon in der 5. Stunde das Ende herbei; die hohen Ansprüche an Besitz, Karriere, Lebensgenuss; immer mehr Menschen erleben, dass nicht reicht, was sie verdienen können und fürchten, abgehängt zu werden – das alles hält in Trab, drückt aufs Tempo, versklavt im Funktionieren. Erhöhung der Arbeitslast war schon im Ägypten des Alten Testaments das Mittel, um Sklaven ruhig zu halten: während sie arbeiten, sind sie beansprucht, wenn sie nicht arbeiten sind sie erschöpft. Es führt dazu, die Beziehung zu sich selbst zu verlieren, die Beziehung zu anderen zu verlieren und die Beziehung zu Gott zu verlieren. Die Frage ist, wieweit wir überhaupt schon die Fähigkeit zur Beziehung eingebüßt haben: Hand aufs Herz: wann hast Du den letzten substantiellen Dialog geführt; wann warst Du da, nicht nur körperlich, sondern präsent, mit Aufmerksamkeit, Interesse und Offenheit für andere?
Ablenkung: ist die Kehrseite der vielen Möglichkeiten, die unsere Zivilisation uns zur Verfügung stellt. Gerade wenn wir eh schon erschöpft sind, verfallen wir ihnen……
Das Ganze hat uns einen Wohlstand gebracht, um den uns viele Nationen beneiden. Doch geht z.B. auch die Erderwärmung mit ihren globalen Folgen, vor allem auf unsere Rechnung: wir produzieren die Flüchtlinge, die dann vor unserer Tür stehen.
Darum meine ich, dass Zeiten des Innehaltens, des Spürens seiner selbst, und – darauf basierend – die Fähigkeit sich selbst zu bestimmen, heute Grund legend sind, um den Weg aus dem Hamsterrad heraus und in Beziehungen zu finden.