Bertram Dickerhof SJ, Juni 2017
Im Nachgang zum letzten Newsletter über die Wohltat des Gebets, möchte ich Euch drei kleine Ergänzungen schicken:
Erstens:
Die Frucht der Stille ist das Gebet.
— Mutter Teresa
Die Frucht des Gebetes ist der Glaube.
Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist der Dienst am Nächsten (das Dienen).
Die Frucht des Dienens ist der Friede!
Diesem Wort entspricht auch meine Erfahrung: wenn der Mensch in der Stille ruhig wird und wieder zu sich kommt, zu Atem kommt, beginnt es ganz natürlich in ihm zu beten: er kann sich öffnen und lernt dabei, einer vertrauenswürdigen und liebenden Gegenwart inne zu werden, die sanft dazu drängt, auch den Mitmenschen in seiner Bedürftigkeit zu gewahren. Wer diesem leisen Zug nachgibt, wird von Frieden erfüllt. Das Schöne dabei: der einfache, gewaltlose, selbstverständliche Prozess, in dem eines aus dem anderen hervorgeht.
Zweitens: Was heißt Beten? Dazu:
„Als mein Gebet immer andächtiger und immer innerlicher wurde,
— Kierkegaard
da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen.
Zuletzt wurde ich ganz still;
ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist,
ich wurde ein Hörer.
Ich meinte erst, Beten sei Reden.
Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören.
So ist es. Beten heißt nicht, sich selbst reden hören,
beten heißt still werden und still sein,
und warten, bis der Betende Gott hört.
In der Tat: viele Menschen verhalten sich im Gebet, wie Kinder mit ihren Wünschen gegenüber ihren Eltern: viele Worte, quengeln, sich ordentlich benehmen, ein paar Vorleistungen erbringen. Wenn Gott sie dann nicht erhört: Schmollen! Genau genommen wollen sie – wie Gott – die Wirklichkeit nach ihren Vorstellungen schaffen. Welche Anmaßung und Ver–rücktheit! Das Leiden an der Wirklichkeit ist auch als Problem des Beters anzusehen, der umkehren sollte, wenn seine Vorstellungen und Erwartungen ihn hindern, in der gegebenen Wirklichkeit Gottes Kommen zu erfahren. Dazu muss er auf die Störungen hören, die diese Wirklichkeit in ihm auslöst, d.h. auf seine inneren Bewegungen achten und dabei verweilen, „warten bis der Betende Gott hört”. Dann kann geschehen, was,
drittens, Alfred Delp im Gefängnis widerfuhr, als er erkennt:
Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt ergleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und in den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis zu dem Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott hervorströmen. In allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort. Der Auftrag ist der, aus diesen Einsichten und Gnaden dauerndes Bewusstsein und dauernde Haltung werden zu lassen. Dann wird das Leben frei in der Freiheit, die wir oft gesucht haben.
— Alfred Delp
Das Leben aus der Stille heraus und dem Hören nach innen und damit in der Gegenwart Gottes – dazu ist der Christ berufen.