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Bei den Dingen, nicht in den Dingen

Bertram Dickerhof SJ, Juni 2015

Wer in jüngerer Zeit im Ashram gewesen ist, wird gestutzt haben, als er auf dem Dienste-Plan mehrmals täglich Karma Yoga zu lesen bekam, wo früher einfach „Arbeiten” stand. Karma Yoga ist Yoga des Handelns, Einheit mit sich selbst und Gott im Handeln, im Tun, durch die Arbeit, – freilich nur dann, wenn die Arbeit „das Anhaften aufgegeben habend” (Bhagavadgita II,48) getan wird.

Im entschleunigten und achtsamen Milieu des Ashram hat man gute Chancen zu merken, was einen beim Arbeiten alles bewegt: nämlich nicht nur Motive, die sich auf die Sache, sondern auch solche, die sich auf die Person des Arbeitenden beziehen, und letztere sind die interessanteren: So kann ein Gast beim Karma Yoga merken, dass er sich mehr als nötig anstrengt, – weil er seine Sache so gut machen will, dass andere es sehen und ihn loben. Oder er strengt sich an, weil er es auf einen Kick durch Leistung abgesehen hat. Eine andere Person mogelt sich an der Arbeit vorbei oder pfuscht; sie schmeckt ihr nicht und sie weicht vor der Unannehmlichkeit zurück. Ein dritter kommt nicht voran, weil sein Perfektionismus ihn gefangenhält. Oft ist es weniger die Sache selbst, die einen müde macht und unfrei, sondern solche persönlichen Motive, mit denen der Arbeitende an der Sache haftet. Diese „Anhaftung” – so die Bhagavadgita –verhindert, im Arbeiten mit sich und Gott in Frieden zu sein.

Ähnliche Gedanken finden sich auch im Christlichen: Meister Eckhart spricht davon, im Arbeiten und in Beziehungen bei – nicht in – den Dingen (und Personen) zu stehen und meint damit, sich nicht in die Dynamiken verstricken zu lassen, die diese in der Person zu entfesseln vermögen, sondern ein wenig Abstand zu halten, damit die innere Freiheit allzeit gewahrt werden kann; dass der Arbeitende Subjekt der Arbeit bleibt, fähig zu Abstand und in der Lage zu erkennen, wenn er sich verrennt und erschöpft oder dabei ist, Gewalt anzuwenden oder zu betrügen usw.. Von Ignatius, dem Gründer der Jesuiten, stammt der paradoxe Sinnspruch: bete, als ob alles von dir abhängt; arbeite, als ob alles von Gott abhängt. Gemeint ist, dass der Mensch sich alle Mühe geben soll, im Gebet den Willen Gottes zu erkennen, also ausfindig zu machen, was er zu tun hat, und wie es zu tun ist. Da aber der Erfolg dieses Tuns von Gott abhängt, kann er bei der Ausführung gelassen bleiben und frei von allen möglichen Antreibern.

Die globalisierte Welt befindet sich allerdings auf einem anderen Weg. Da steht man in den Dingen; Selbstausbeutung wird zur Lust erhoben, 24-Stunden-Erreichbarkeit verleiht einem Bedeutung, alles muss stets schneller und effizienter gehen. Nachdenken wird so unmöglich und Arbeiten in innerer Einheit und Freiheit auch. Gleichzeitg steigt die Zahl derjenigen, die ihren Alltag nur noch mit Psychopharmaka bewältigen können. Es macht mir Sorgen, wohin diese Entwicklung führt.

Ich schreibe Euch diese Gedanken zur Zeit des Jahresurlaubs. Er ist eine Chance, wieder „runter” zu kommen, „aus den Dingen” heraus, in den rechten Abstand zu ihnen. Im Alltag ist unsere Ashram-Methode des Innehaltens so etwas wie der tägliche Urlaub, der die Chance eröffnet, sich „bei den Dingen” aufzuhalten und seine innere Freiheit ihnen gegenüber zu wahren: Wäre es nicht ein erwägenswerter Gedanke, dies ab und an auch im Urlaub zu praktizieren und dann im Alltag damit weiterzumachen?